Die Europäische Union will das Gesundheitswesen digitalisieren und somit jedem EU-Bürger ermöglichen, auf personenbezogene Gesundheitsdaten elektronisch zuzugreifen. Für den Europäischen Raum für Gesundheitsdaten (kurz: EHDS) hat die EU-Kommission bereits einen Verordnungsentwurf veröffentlicht.
Wie eine einheitliche Gesundheitsversorgung aussehen kann und welche Vorteile ein digitales Ökosystem innerhalb der EU mit sich bringen würde, erfahren Sie in diesem Artikel.
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European Health Data Space: Was ist das?
Der Europäische Raum für Gesundheitsdaten (engl. "European Health Data Space", kurz: EHDS) soll es EU-Mitgliedsstaaten zukünftig ermöglichen, das Gesundheitswesen mittels Digitalisierung zu vereinheitlichen. Ziel ist es, ein europaweites Ökosystem im Gesundheitssektor zu schaffen, das einen einheitlichen Rechtsrahmen vorsieht und EU-Bürgern sowie Gesundheitsunternehmen eine Vielzahl von Vorteilen bieten kann.
Datenschutz im Gesundheitsbereich
In der Gesundheits- und Pflegebranche gibt es im Bereich Datenschutz mehr zu beachten als in anderen Bereichen. Das liegt vor allem daran, dass hierbei mit sensiblen Daten wie Gesundheitsdaten gearbeitet wird. Wir haben uns auf die datenschutzrechtliche Beratung in dieser Branche spezialisiert.
Nach der Vision der EU-Kommission sollen die Mitgliedsstaaten an gemeinsam festgelegte Vorschriften gebunden sein, die unter anderem bestimmte gesundheitsspezifische Verfahren und Infrastrukturen definieren. Eine solche Entwicklung würde auch der Datenstrategie entsprechen, die die EU seit Jahren verfolgt und vorantreibt.
Gut zu wissen: Sollte der Entwurf realisiert werden, ist die geplante Verordnung unmittelbar in jedem EU-Land gültig. Eine Umsetzung in nationales Recht wäre demnach nicht erforderlich. Der europäische Raum für Gesundheitsdaten würde alle EU-Länder verpflichten.
Warum ist ein europäischer Gesundheitsdatenraum erforderlich?
Im Vergleich zu anderen Ländern liegen europäische Länder weit hinten, was die Digitalisierung im Gesundheitssektor und die Gesundheitsforschung betrifft. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass relevante Daten aus dem Gesundheitswesen sowohl für Betroffene als auch für die Wissenschaft und Politik größtenteils unverfügbar sind.
Dabei bräuchte es für eine Reform und den damit verbundenen politischen Entscheidungen gerade den unkomplizierten Zugang zu Gesundheitsdaten. Insbesondere während der Pandemie wurde dieser Missstand auch in Deutschland mehr als deutlich.
Eine sinnvolle politische Auseinandersetzung mit den Herausforderungen unserer Zeit ist nur dann möglich, wenn sie faktenbasiert und empirisch geführt wird. Ohne den Zugang zu gesundheitsspezifischen Daten und Forschungsergebnissen aus dem Gesundheitswesen lässt sich das Gesundheitssystem innerhalb der EU nicht reformieren.
Deshalb braucht es einen europäischen Raum für Gesundheitsdaten, der klare rechtliche Standards vorgibt und einen sicheren Umgang mit Gesundheitsdaten schafft. Um diese Vision zu realisieren, sind in allen Mitgliedsstaaten grundlegende Veränderungen erforderlich:
- Alle EU-Mitgliedstaaten müssen ihre nationalen Gesundheitssysteme an das digitale Zeitalter anpassen. Dies erfordert nicht nur eine effiziente Digitalisierungsstrategie, sondern unter Umständen auch eine große Umstrukturierung im Gesundheitswesen.
- EU-Bürger müssen in der Lage sein, über elektronische Geräte jederzeit auf ihre personenbezogenen Daten zuzugreifen und diese eigenständig zu verwalten. Hierfür wäre ein grundlegendes Umdenken - insbesondere im Hinblick auf die ältere Generation - notwendig.
Was sind die Vorteile einer Gesundheitsunion innerhalb der EU?
Wer an einer europäischen Gesundheitsunion zweifelt, muss sich nur vor Augen führen, was passiert, wenn die EU den Gesundheitssektor nicht einheitlich reguliert: Aktuell greifen ausländische Unternehmen auf europäische Gesundheitsdaten zu, um wirtschaftliche Erfolge zu erzielen.
Dabei werden die Standards des EU-Datenschutzes, auf den sich alle Mitgliedstaaten geeinigt haben, größtenteils nicht eingehalten. Dies führt zu einem Kontrollverlust auf Seiten der EU-Länder - und zu unrechtmäßigen Datenverarbeitungen zu Ungunsten der EU-Bürger. Ein einheitliches Gesundheitssystem innerhalb der EU würde die fehlende Datensouveränität wiederherstellen.
Darüber hinaus bietet ein europäisches Gesundheitswesen folgende Vorteile:
- EU-Bürger stehen im Mittelpunkt: Sie können grenzüberschreitendGesundheitsdaten einsehen, kontrollieren und in Gebrauch nehmen (z.B. im Rahmen einer ärztlichen Behandlung im EU-Ausland). Durch einen direkten Zugriff auf Gesundheitsdaten könnten sich Bürger flexibel dazu entscheiden, einer gesundheitsspezifischen Datenverarbeitung zuzustimmen oder zu widersprechen.
- Ein europäischer Raum für gesundheitliche Daten fördert den Binnenmarkt und bildet die Grundlage für eine zwischenstaatliche Zusammenarbeit und einen Austausch von gespeicherten Gesundheitsdaten zwischen den Mitgliedstaaten.
- Innerhalb einer Gesundheitsunion gelten einheitliche Standards und rechtsstaatliche Regelungen, die nicht nur die Anforderungen an den Datenschutz, sondern auch europäische Werte und Grundsätze berücksichtigen.
- Gesundheitsdaten könnten - unter Berücksichtigung europäischer datenschutzrechtlicher Regeln - für verschiedene Zweckeverarbeitet werden (z.B. Forschungsprojekte, Entwicklung KI-basierter Behandlungsmethoden, gesundheitspolitische Entscheidungen, Statistiken zum Gesundheitswesen innerhalb der EU). Dies verhindert eine rechtswidrige Datennutzung durch Drittunternehmen aus dem Ausland.
- Die geplante Verordnung untersagt eine werbliche Datenverarbeitung oder die nachteilige Nutzung personenbezogener Daten (etwa für gewerbliche Zwecke wie dem Abschluss von teuren Versicherungen).
- Klare Rechtsgrundlagen zur Digitalisierung ohne datenschutzrechtliche Unsicherheiten oder Untätigbleiben aus Angst vor Sanktionen (z.B. umsatzbezogene Geldstrafen).
EHDS: Wann sollten Unternehmen handeln?
Lange Verfahren, komplizierte Prozesse, unnötige Bürokratie - all diese Altlasten sollen der Vergangenheit angehören. Doch sind die EU-Länder bereit, ihre Systeme an das digitale Zeitalter anzupassen?
In Deutschland werden Gesundheitsdaten größtenteils analog verarbeitet und unter Verschluss gehalten. Das Gesundheitswesen ist konservativ aufgestellt und wenig flexibel. Eine Digitalisierungsstrategie ist allerdings schon seit Jahren fällig und wird durch die Bevölkerung auch zunehmend gefordert.
Mit der geplanten Verordnung zum europäischen Gesundheitsdatenraum hat die Europäische Kommission den ersten Schritt in Richtung Gesundheitsunion getan. Dieser muss ggf. weiter ausgearbeitet und sodann vom Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat beschlossen werden, bevor er für alle Mitgliedsstaaten gilt. Spätestens im Jahr 2023 wird jedoch mit einer Verkündung gerechnet.
Betroffene Unternehmen und Einrichtungen können sich schon heute auf die digitale Gesundheitsversorgung vorbereiten und interne Anpassungen treffen, um auch zukünftig rechtssicher Daten verarbeiten zu können. Eine Datenschutz-Software, die den rechtlichen Rahmen der EU berücksichtigt, kann bei der Umsetzung der neuen Regelungen unterstützen.
Gerne beraten wir Sie zu den Möglichkeiten im Datenschutz und zu den technischen Voraussetzungen für eine rechtssichere Datenverarbeitung. Kommen Sie für ein unverbindliches Erstgespräch jederzeit auf uns zu.
Austausch von Gesundheitsdaten: Braucht es ein Gesundheitsdatennutzungsgesetz?
Gesundheitsdaten sind sensibel und stehen daher unter einem besonderen Datenschutz. Allerdings fehlen insbesondere im Hinblick auf digitale Systeme klare gesetzliche Regelungen, die diesen Schutz gewährleisten. Ein Gesundheitsdatennutzungsgesetz könnte hier eine verlässliche Rechtsgrundlage bilden.
Ein Gesetz zur Nutzung von Gesundheitsdaten wurde bereits im Koalitionsvertrag angekündigt. Die neue Bundesregierung, bestehend aus der SPD, den Grünen und der FDP, orientierte sich dabei an der Zielvorstellung, eine digitale Gesundheitsversorgung zu schaffen und dadurch das Gesundheitswesen auf ein zeitgemäßes Niveau anzuheben.
Dabei geht es nicht nur um die Frage, wie und durch wen gespeicherte Gesundheitsdaten verarbeitet werden dürfen, sondern auch darum, unter welchen Voraussetzungen gesundheitsspezifische Informationen für Forschungszwecke etc. verfügbar gemacht werden können.
Insbesondere die Corona-Pandemie hat den Wunsch nach einem Gesundheitsdatennutzungsgesetz vergrößert. Über die Wirkung medizinischer Behandlungen (z.B. Impfungen) können derzeit wenig Aussagen getroffen werden, da es an einer Verbindung zwischen den Versorgungsdaten und den Daten der Krankenkassen fehlt. Ein einheitliches System, dass alle Faktoren miteinander verbindet und Zusammenhänge berücksichtigt, würde eine bessere Gesundheitsforschung und somit eine effektivere medizinische Versorgung ermöglichen.
Ein Gesetz zur Datenverarbeitung im Gesundheitswesen wäre also die ideale Voraussetzung für eine Interoperabilität im Gesundheitswesen und ein weiterer Schritt in Richtung Rechtsklarheit bei der Digitalisierung von Gesundheitsdaten. Positive Nebeneffekte wären zudem die Reduzierung langer, bürokratischer Prozesse.
Fazit
Langfristig wird die EU das Gesundheitswesen digitalisieren und auf diese Weise ein einheitliches Ökosystem schaffen. Der europäische Gesundheitsdatenraum wird dann als erste Anlaufstelle dienen, die es EU-Bürgern ermöglicht, eigenständig auf Gesundheitsdaten zuzugreifen und ihre Verwendung zu kontrollieren.
Auch in Deutschland tut sich etwas: Ein Gesundheitsdatennnutzungsgesetz soll die Verwendung von sensiblen Informationen im Gesundheitsbereich regulieren und eine bessere Forschung auf diesem Gebiet in die Wege leiten. Davon profitieren nicht nur wissenschaftliche Projekte und politische Debatten, sondern auch EU-Bürger, auf die eine bessere Gesundheitsversorgung wartet.
Unternehmen können sich schon jetzt auf diese Veränderung vorbereiten und sich weitestgehend digital ausrichten, um auch in Zukunft Sanktionen zu vermeiden.
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Autor: Team datenschutzexperte.de
Artikel veröffentlicht am 19.10.2022