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Klarnamenpflicht – (k)ein Datenschutzproblem?

Debatte um Klarnamen im Netz: Ein längst überfälliger Schritt oder am Grundgedanken des Internets vorbei? Wir beleuchten den Vorstoß aus datenschutzrechtlicher Sicht.

2020-01-23

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Ausgangslage: Aufgrund des zunehmenden Hasses im Netz, momentan vor allem gegen Politiker:innen, forderte Wolfgang Schäuble Anfang Januar, dass Menschen im Netz nur noch unter ihrem echten Namen (Klarnamen) auftreten und posten dürfen. Das beschwor eine heftige Debatte in den sozialen Netzwerken herauf, in der sich Befürworter:innen und Gegner:innen über diesen Vorstoß ausließen. Wie steht es aber aus datenschutzrechtlicher Sicht um diesen Klarnamen-Vorschlag?

Schäubles Vorstoß zur Klarnamenpflicht dreht sich im Wesentlichen um die Ansicht, dass Menschen im Netz ihren richtigen Namen verwenden sollten, damit leichter nachvollziehbar werde, wer was schreibt. Dahinter steht aber kein fertiges Konzept, sondern vielmehr nur diese eine Forderung. Dies wirft viele Fragen auf, die v.a. die Durchführbarkeit der Klarnamenpflicht betreffen. An der Sinnhaftigkeit scheiden sich die Geister: Es gibt absolute Befürworter und absolute Gegner. Leider ist die Diskussion um die Klarnamenpflicht jedoch nicht ganz einfach, da sie schon alleine auf Grund ihrer fehlenden Hintergrundinformationen viele Spekulationen schürt. Und wie sieht es aus datenschutzrechtlicher Sicht aus?

 

Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung?

Gerade aus datenschutzrechtlicher Sicht bleiben viele Fragen offen. Die prägnanteste ist wohl die Frage nach Artikel 5 des Grundgesetzes, der das Grundrecht auf eine freie Meinungsäußerung verankert. Verstößt eine Klarnamenpflicht gegen Art. 5 GG, wenn sich Betroffene infolge dessen daraus resultierend nicht mehr trauen, ihre Meinung im Internet überhaupt zu äußern, etwa, weil sie einer verfolgten Minderheit angehören? Im schlimmsten Szenario werden solche Menschen aufgrund der Klarnamenpflicht auch im realen Leben angreifbarer, weil man sie eindeutig identifizieren kann.

In diese Richtung argumentiert auch ein Urteil des Bundesgerichtshofes, das 2009 verkündet wurde. Ein Lehrerbewertungsportal forderte hier die Deanonymisierung eines Users / einer Userin. Doch das Gericht urteilte, dass dies nicht zulässig sei, weil die Deanonymisierung Nachteile für den / die Verfasser:in bedeuten könnte:

"Die Verpflichtung, sich namentlich zu einer bestimmten Meinung zu bekennen, würde nicht nur im schulischen Bereich, um den es im Streitfall geht, die Gefahr begründen, dass der Einzelne aus Furcht vor Repressalien oder sonstigen negativen Auswirkungen sich dahingehend entscheidet, seine Meinung nicht zu äußern."

Zudem ist nicht klar, was mit den im Netz preisgegebenen personenbezogenen Daten (Vor- und Nachname) überhaupt passiert: Wo und wie lange werden diese Informationen gespeichert und von wem? Und wie steht es um die Datenweitergabe, z.B. an Ermittlungsbehörden?

 

Klarnamen – und doch keine Ermittlungen

Um Straftaten im Netz vorzubeugen, so die einfache Rechnung, scheinen Klarnamen zu helfen. Dieser sehr einfach gedachte Ansatz lässt aber die Realität außer Acht: Abgesehen davon, dass Internetnutzer:innen hier wie bei Massenüberwachungen in der analogen Welt auch in der digitalen Welt unter Generalverdacht gestellt werden, sind auch Klarnamen keine Sicherheit dafür, dass es zu einer Ahndung eines Verstoßes kommt – siehe den Fall Jamila Schäfer. Die stellvertretende Bundesvorsitzende der Grünen twitterte, dass auch unter Klarnamen gegen sie ausgesprochene Morddrohungen von den Ermittlungsbehörden nicht weiter verfolgt und sogar eingestellt wurden, weil schlicht keine Ermittlungskapazitäten vorhanden waren. Und dies ist längst kein Einzelfall. Abgesehen davon, dass immer mehr Strafverfolgungsbehörden überlastet sind, scheitern Ermittlungen auch oft an anderen Dingen, wie:

  • an fehlender sachlicher Netzkunde (denn auch, wenn Nutzer:innen im Internet anonym auftreten, besteht die Möglichkeit, zurückzuverfolgen, wer sie sind),

  • am Zynismus der Behörden selbst oder

  • an der fehlenden Kooperationsbereitschaft großer sozialer Plattformen. Diese zur Kooperation zu bewegen oder gar per Gesetz dazu zu zwingen ist im Übrigen auch wieder ein Thema für sich. Und selbst, wenn dieses Problem geklärt werden würde, wären da noch viele andere Fragen, auf die eine Antwort gefunden werden muss.

 

Grundsatzprobleme

Der Kolumnist Sascha Lobo spricht in diesem Zusammenhang vom Internet-Exzeptionalismus. Dieser besagt, dass die Regeln der analogen Welt nicht 1:1 auf die digitale Welt übertragbar sind. Dass dies stimmt, beweist der Umkehrschluss der geforderten Klarnamenpflicht: Dürfte man sich im Internet mur noch unter Nennung seines echten Namen äußern, dann würde das im „realen“ Leben bedeuten, dass man beispielsweise Diskussionen in einer Bar nur noch unter Vorzeigen seines Ausweises führen dürfte. Dies ist schlicht nicht machbar und lässt den nur halb garen Vorschlag der Klarnamenpflicht als potentiellen Heilsbringer nicht nur ins Wanken geraten, sondern darüber hinaus mit noch mehr offenen Fragen zurück:

  • Wie wird beispielsweise mit Namensdopplungen umgegangen, wie etwa Max Müller oder Peter Schmidt, die zu den häufigsten deutschen Namen gehören?

  • Welche Regeln würden für Nichtdeutsche gelten, die in deutschen sozialen Netzwerken unterwegs sind?

  • Wie würde man mit dem ohnehin schon immer größer werdenden Problem von Identitätsdiebstählen umgehen?

  • Müssten auch Minderjährige ihre Klarnamen angeben?

  • Müssten Namen auch dann noch gespeichert bleiben, wenn sich Nutzer:innen aus den Netzwerken löschen, falls noch einmal ein von ihnen verfasster, strafbarer Kommentar auftaucht?

  • Wie könnte das wiederum gesetzlich geregelt werden, dass es nicht einer Vorratsdatenspeicherung gleichkommt?

All dies und noch viele weitere unbeantwortete Fragen erschweren die Diskussionen um das scheinbar problemlösende Wort der Klarnamenpflicht. Vor allem lenken sie vom eigentlichen Thema ab: Wie gehen wir mit Hass und Anfeindungen im Netz um? Die Antwort darauf lässt sich leider nicht mit einem Wort geben.

Autorin: Kathrin Strauß
Artikel veröffentlicht am: 23. Januar 2020

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