Artikel 79 EU-DSGVO: Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen Verantwortliche oder Auftragsverarbeiter

  1. Jede betroffene Person hat unbeschadet eines verfügbaren verwaltungsrechtlichen oder außergerichtlichen Rechtsbehelfs einschließlich des Rechts auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde gemäß Artikel 77 das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf, wenn sie der Ansicht ist, dass die ihr aufgrund dieser Verordnung zustehenden Rechte infolge einer nicht im Einklang mit dieser Verordnung stehenden Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten verletzt wurden.

  2. Für Klagen gegen einen Verantwortlichen oder gegen einen Auftragsverarbeiter sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter eine Niederlassung hat. Wahlweise können solche Klagen auch bei den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dem die betroffene Person ihren Aufenthaltsort hat, es sei denn, es handelt sich bei dem Verantwortlichen oder dem Auftragsverarbeiter um eine Behörde eines Mitgliedstaats, die in Ausübung ihrer hoheitlichen Befugnisse tätig geworden ist.

Kommentar zu Art. 79 DSGVO

Was sagt Art. 79 DSGVO aus?
 

Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Klagemöglichkeit einer betroffenen Person gegen einen Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiter und ergänzt damit die Rechtsschutzinstrumentarien der Art. 77 und 78 DSGVO.

Klagen nach Abs. 1 kann jede betroffene Person, die der Ansicht ist, dass eine gegen die DSGVO verstoßende Verarbeitung sie betreffender personenbezogener Daten ihre Rechte verletzt. Gem. Art. 4 Nr. 1 DSGVO sind betroffene Personen natürliche Personen, die durch personenbezogene Daten identifizierbar sind. Um ihr Klagerecht ausüben zu können, müssen sie somit in unmittelbarem Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Datenverarbeitungen stehen und sich eben durch diese identifizieren lassen. Des Weiteren muss eine betroffene Person dem Gericht einen Sachverhalt vortragen, der auf eine gegen die DSGVO verstoßende Verarbeitung schließen lässt und die Möglichkeit einer dadurch verursachten Verletzung ihrer Rechte jedenfalls nicht ausschließt. Somit darf im Rahmen der Klage – wie auch bei dem Beschwerderecht in Art. 77 DSGVO – nicht auf einen Verstoß gegen objektives Recht abgestellt werden, da die Klage dem individuellen Rechtsschutz der betroffenen Personen dient. Zudem besteht bei Verletzung von Rechten betroffener Personen über Art. 80 Abs. 2 DSGVO die Möglichkeit einer Verbandsklage.

Neben Verstößen gegen materielles Recht können mit der Klage nach Art. 79 Abs. 1 DSGVO auch Verarbeitungen beanstandet werden, die nicht mit den nach Maßgabe der DSGVO erlassenen delegierten Rechtsakten, Durchführungsakten und Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten zur Präzisierung von Bestimmungen der DSGVO im Einklang stehen (vgl. Erwägungsgrund 146). Klagegegner können nach Abs. 2 Verantwortliche und Auftragsverarbeiter sämtlicher europäischen relevanten Stellen für die Datenverarbeitung sein. Definiert werden die Begriffe des Verantwortlichen und des Auftragsverarbeiters in Art. 4 Nr. 7 und 8 DSGVO.

Die internationale Zuständigkeit der Gerichte wird in Abs. 2 geregelt. Demnach kommt als zuständiges Gericht sowohl ein Gericht mit Sitz am Ort der Niederlassung des Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiters als auch ein Gericht mit Sitz am Aufenthaltsort der betroffenen Person in Betracht. Eine Niederlassung eines Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiters liegt nach dem 22. Erwägungsgrund vor, wenn es sich um eine feste Einrichtung handelt, in der eine Tätigkeit effektiv und tatsächlich ausgeübt wird. Es muss sich also nicht um die Hauptniederlassung im Sinne des Art. 4 Nr. 16 DSGVO handeln. Die Möglichkeit einer Klage am Aufenthaltsort einer betroffenen Person soll insbesondere bei grenzüberschreitenden Sachverhalten eine Vereinfachung bewirken, indem Betroffene bei den gewohnten nationalen Gerichten Klage erheben können. Für den Begriff des Aufenthaltsorts ist eine gewisse Dauer des Aufenthalts erforderlich. Regelmäßig wird der Wohnsitz einer Person als Aufenthaltsort gewertet. Der nationale Gesetzgeber greift in § 44 BDSG die Vorschrift des Art. 79 Abs. 2 DSGVO auf und bestimmt in Abs. 1 die nationale Zuständigkeit.
Die jeweiligen nationalen Verfahrensregelungen können dabei angewandt werden, wenn sie der DSGVO nicht widersprechen. Im Falle eines Widerspruchs zwischen nationalen und datenschutzrechtlichen Vorschriften der EU sind letztere vorrangig anzuwenden. Außerdem können die Rechtsbehelfe der Art. 77 und 78 DSGVO parallel zum Klagerecht des Art. 79 DSGVO in Anspruch genommen werden. Auch anderweitige verwaltungsrechtliche oder außergerichtliche Rechtsbehelfe werden durch die Regelung des Abs. 1 nicht ausgeschlossen.

Was hat sich geändert?


Art. 22 DSRL (alte Fassung – RL/95/46/EG) sah einen ähnlichen gerichtlichen Rechtsbehelf vor, welcher von den einzelnen Mitgliedstaaten durch entsprechende Regelungen umgesetzt werden sollte. Art. 79 DSGVO knüpft an diese Regelung an und entwickelt sie zu einer eigenen Rechtsschutzgarantie fort.

Welche Folgen ergeben sich aus Art. 79 DSGVO?
 

Da die Rechtsbehelfe der Art. 77 bis 79 DSGVO parallel in Anspruch genommen werden können, kann es vorkommen, dass derselbe Verstoß einer Datenverarbeitung in zwei nebeneinander laufenden Verfahren geprüft wird.

Setzt sich ein gerichtlicher Rechtsbehelf einer betroffenen Person durch, können auf Verantwortliche und Auftragsverarbeiter Geldbußen gem. Art. 83 Abs. 3, 4 und 5 DSGVO oder ggf. Sanktionen nach Art. 84 DSGVO zukommen. Insbesondere die Verletzung der Rechte betroffener Personen gem. Art. 83 Abs. 5 lit. b) DSGVO spielt hier eine Rolle. Umgesetzt und ausgestaltet wurden diese Vorschriften in Deutschland in den §§ 41-43 BDSG. Ist der betroffenen Person durch den Verstoß gegen die DSGVO ein Schaden entstanden, kann zudem ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO gegenüber dem Verantwortlichen oder dem Auftragsverarbeiter geltend gemacht werden. Falls Sie sich über die Rechtmäßigkeit Ihrer Verarbeitungen unsicher sind, helfen wir Ihnen gerne weiter, z. B. durch einen von uns eingesetzten externen Datenschutzbeauftragten.

Wir freuen uns auf Ihre Anfrage!

Telefon:

+49 89 / 250 039 220

Öffnungszeiten:

Mo. - Fr.: 09:00 - 18:00 Uhr